Vorratsdatenspeicherung kommt (in Österreich) und geht (in Zypern)Verfasst von dub am 9. Februar 2011 - 16:34
Bis Mitte Februar wollen die Regierungsparteien eine Einigung über die Umsetzung der umstritteneren EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung (VDS) erzielen, meldete der ORF-Sender FM4 am Dienstag. Erzielen die Koalitionsparteien tatsächlich eine endgültige Einigung, dann steht der anlasslosen Überwachung des Telefonie- und Internetverkehrs auch in Österreich nichts mehr im Wege.
Die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ist eine der meist kritisierten EU-Regelungen. Sie schreibt den EU-Mitgliedsstaaten vor, alle Telekom-Anbieter und Internetprovider dazu zu verpflichten, die Verbindungsdaten ihrer Kunden für mindestens sechs Monate zu speichern und auf Anfrage an die Strafverfolgungsbehörden zu übermitteln. Das bedeutet, dass die gesamte Kommunikation und auch alle Kommunikationsversuche via Telefon, SMS, E-Mail oder Internet erfasst werden, ohne dass ein konkreter Verdacht oder eine konkrete Straftat vorliegt.
Mehrere Länder haben die unliebsame Richtlinie aus dem Jahre 2006 noch immer nicht umgesetzt, darunter Schweden und Österreich. Die Europäische Kommission hat deswegen ein Vertragsverletzungsverfahren in Gang gesetzt. In Österreich hat sich die zuständige SPÖ-Ministerin Doris Bures mit der Umsetzung der VDS-Richtlinie, die noch mit Zustimmung der schwarz-blau/orangen Vorgänger zustande gekommen war, lange Zeit gelassen. Nicht zuletzt wegen ernster Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der VDS mit Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), der Jedermann einen „Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefwechsels“ garantiert.
Um einen Weg der Umsetzung zu finden, der möglichst wenig in die Grundrechte der Nutzer eingreift, hat Bures dann im Jahre 2009 das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte (BIM) beauftragt, einen Gesetzesentwurf für die erforderliche Novelle des Telekommunikationsgesetzes 2003 auszuarbeiten. Im Zuge dieser Arbeit kam das BIM zu dem Schluss, es sei nicht möglich, die Richtlinie zu "zu reparieren". Die Vorratsdatenspeicherung verletzte so oder so die Europäischen Menschenrechtskonvention, weshalb, so die Autoren, "jene Teile des Gesetzesentwurfs, welche die vorrätige Speicherung von Daten vorschreiben, niemals in Kraft treten [sollten] ... andernfalls verstieße ihre bloße Existenz gegen die Menschenrechte" (mehr dazu siehe EDRi-gram 7.23). Eine Sichtweise, die im anschließenden Begutachtungsverfahren von einer kaum enden wollenden Flut von Stellungnahmen untermauert wurde.
Nun soll die Richtlinie angesichts drohender Strafgelder aber offenbar doch irgendwie umgesetzt werden. Dem ORF-Bericht zufolge sind die Verhandlungen zwischen dem federführenden BMVIT (Doris Bures, SPÖ) mit dem Innen- und Justizressort (Maria Fekter (ÖVP) bzw. die ÖVP-nahe Claudia Bandion-Ortner) in der Endphase, spätestens Montag Abend soll die Entscheidung stehen.
In anderen Staaten wird unterdessen weiterhin gegen die Vorratsdatenspeicherung gekämpft. In Deutschland, Bulgarien und Rumänien liegen schon seit geraumer Zeit Höchstgerichtsentscheide vor, mit welchen die Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung bzw. spezifische Umsetzungsbestimmungen für verfassungswidrig erklärt worden sind. Seit 1. Februar zählt nun auch Zypern zu diesem Kreis. Denn das zypriotische Höchstgericht hat zwei Bestimmungen für nicht verfassungskonform erklärt (mehr dazu in Bälde im EDRi-gram 9.3).
Darüber hinaus hat der oberste irische Gerichtshof die Angelegenheit an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) verwiesen. Dieser soll nun dazu Stellung nehmen, ob die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung mit der Europäischen Grundrechtecharta vereinbar ist. Diese EuGH-Entscheidung wird mit Spannung erwartet und wohl auch von entscheidender Bedeutung für die derzeit seitens der Europäischen Kommission durchgeführte Evaluierung der Richtlinie haben. Bis dahin wird das Tauziehen um die umstrittene Überwachungsmaßnahme, für deren Zweckmäßigkeit bis bis heute noch keine hinreichenden Beweise vorgelegt werden konnten, sicherlich weitergehen.
Die zuständige Innenkommissarin Malmström hat zwar schon vor Abschluss des Evaluierungsverfahrens erklärt, "die Vorratsdatenspeicherung sei hier, um zu bleiben", Bürgerrechtler und liberale Politiker hoffen aber weiter, dass die Vorratsdatenspeicherung (mit Hilfe eines entsprechenden EuGH-Entscheids) doch noch – für immer – geht.
[unwatched]
http://www.unwatched.org/node/2622P.S. Was sagt unser Support dazu bitte ??